So wie das Bier, die Weißwurst und die Lederhose gehört auch die bayerische Fassadenmalerei zu den besonderen Phänomenen dieses süddeutschen Bundeslandes. Besonders im Alpenraum - inklusive dem österreichischen Tirol - sind die kunstvoll mit Malereien verzierten Bauwerke allgegenwärtig. In einigen Ortschaften reiht sich ein bemaltes Haus an das andere, sodass man sich inmitten eines Freilichtmuseums zu befinden scheint. Eigentlich wurde diese Art der Gestaltung von Hauswänden gar nicht in dieser Region erfunden. Die Art und Weise der Ausführung ist jedoch einzigartig und wird in ihrer landestypischen Variante als Lüftlmalerei bezeichnet.
Bemalt werden Fassaden bereits seit Urzeiten. Eine besondere Herausforderung bilden dabei natürlich die Unbilden des Wetters. Bewährt hat sich die Freskotechnik, bei der die Farbe auf den frischen, noch ungebundenen Putz aufgetragen wird und sich dadurch massiv mit dem Untergrund verbindet. Bereits in der Antike (z.B. in Pompeji) wurde diese Technik angewendet.
Im heutigen Süddeutschland verbreitete sich die Freskotechnik besonders stark im Mittelalter. Eine Modeerscheinung dieser Zeit war das Aufmalen von nicht vorhandenen Architekturelementen auf den Burgen und Herrensitzen der Feudalherren. Dieser Malstil wird Illusionsmalerei genannt. Ein sehr gut erhaltenes Beispiel aus dieser Zeit ist das
Hohe Schloss in Füssen. Gemalte spätgotische Fenster- und Türeinfassungen sowie künstliche, wappenverzierte Erker geben der ursprünglich relativ unscheinbaren Burgfassade ein schlossartiges Aussehen.
Pilatushaus in Oberammergau (berühmtes Beispiel der Lüftlmalerei)
Die typisch bayerische Lüftlmalerei entstand im 18. Jahrhundert. Vorbild war wahrscheinlich die damalige Handelsmetropole Augsburg. Hier hatten die reichen Kaufleute während der Renaissancezeit die Illusionsmalerei übernommen und verfeinert. Zwischen Augsburg und Venedig fuhren die Händler auf einer ehemaligen Römerstraße durch die Alpen. Entlang dieser Route, speziell in Oberammergau und in Mittenwald entstanden die ersten Zentren der Lüftlmalerei, die bis zum heutigen Tag bei der Fortsetzung der Tradition der Fassadenmalerei eine herausragende Rolle spielen.
Die wichtigste Persönlichkeit war damals der Künstler Franz Seraph Zwinck. Er wurde 1748 in Oberammergau geboren und hat in den beiden Zentren der Lüftlmalerei mehrere, heute noch erhaltene, Fassaden bemalt (unter anderem das hier abgebildete Pilatushaus). Da der Künstler in Oberammergau das Haus "Zum Lüftl" bewohnte, wird vermutet, dass die Bezeichnung Lüftlmalerei auf den Namen dieses Hauses zurückgeht. Charakteristisch für die bayerische Fassadenmalerei sind die Darstellungen von architektonischen Bauteilen, wie z.B. Säulenportalen, Fenstereinfassungen und Stuckaturen, unter gleichzeitiger Integration von Motiven aus der christlichen Glaubenslehre. Daneben werden aber auch Bilder aus der bayerischen Geschichte und dem Alltag sowie Berge und Landschaften dargestellt. Da die Tradition der Lüftlmalerei durch mehrere Künstler bis zum heutigen Tag fortgesetzt wird, kann man auch auf neuen Häusern diese kunstvollen Darstellungen bewundern.
Besonders sehenswerte Beispiele der bayerischen Fassadenmalerei:
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Mittenwald
Die am Karwendelgebirge liegende Marktgemeinde gilt zusammen mit den benachbarten Ortschaften durch die seit Jahrhunderten gepflegte Tradition der Lüftlmalerei als ein Zentrum dieser bayerischen Fassadengestaltung.
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Oberammergau
In einem weiten Tal der Ammergauer Alpen liegend, gehört die wegen den Passionsspielen weltbekannte Gemeinde, als Ursprungsort der bayerischen und tiroler Lüftlmalerei, zu den schönsten Ortschaften Bayerns.
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Bad Tölz
Eine romantische Kurstadt im Alpenvorland, deren Hauptsehenswürdigkeit die Häuser der historischen Marktstraße mit ihren breiten Dächern und bemalten Fassaden sind.
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Neubeuern
Der romantische, von einem Schloss überragte Ferienort im Inntal gehört mit seinen wunderschönen, aufwendig mit Lüftelmalerei verzierten historischen Häusern zu den schönsten Ortschaften Bayerns.
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Füssen
Die mittelalterliche Stadt in der Nähe der weltbekannten
Königsschlösser
besitzt mit dem
Hohen Schloss
eines der am besten erhaltenen Bauwerke mit mittelalterlicher Illusionsmalerei und außerdem mehrere gelungene Beispiele der barocken Fassadenmalerei.
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Münchner Residenz
Die in vier Jahrhunderten kontinuierlich ausgebaute Residenz der Herzöge, Kurfürsten und Könige von Bayern besitzt mehrere Innenhöfe mit durch Illusionsmalerei gestalteten Fassaden.
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